Dienstag, 27. September 2016

27.09. 2016 "..no matter if you're black or white"?

Heute morgen beim Joggen am Strand von Camps Bay zeigte sich über dem Atlantik ein Regenbogen - und damit war das Motto des heutigen Tages gesetzt: ist die Rainbownation Illusion oder Wirklichkeit? Die Überwindung der Apartheid war nicht erst in den letzten zwei Wochen, sondern schon während der Vorbereitungszeit ein Leitmotiv unserer Exkursion. Drei Filme unserer  Kinoabende handelten vom Kampf gegen die Apartheid: Der Film "Drum - Wahrheit um jeden Preis" spielt in den 1950er Jahren, zu Beginn der Apartheid und thematisiert den Kampf um Sophiatown in Johannesburg; der zweite Film, "Schrei nach Freiheit" ist ein US-amerikanischer Film, der auf einem Sachbuch des Journalisten Donald Woods basiert, und die Geschichte von Steve Biko, dem Gründer des Black Consciousness Movement behandelt. Der dritte Film war "Invictus" nach dem Sachbuch „Der Sieg des Nelson Mandela: Wie aus Feinden Freunde wurden“ von John Carlin. Hier geht es um die Anfänge Nelson Mandelas als Präsident und seine Vision einer Rainbownation.  
Schon während unserer Vorbereitung auf die Reise also war uns sehr bewusst, dass das Thema Apartheid uns beschäftigen würde. Und es trieb uns, wie auch die Schüler vom Apostelgymnasium, die Frage um, welchen Spuren dieser Zeit man 22 Jahre nach den ersten freien Wahlen noch begegnen würde.
Der erste Tag der Exkursion begann daher nicht zufällig mit einem Besuch des Apartheidmuseums in Joburg. Eindrücklich wurde uns dort vor Augen geführt, dass die Bilder, die wir bereits in den Kinofilmen gesehen hatten, keine Inszenierungen der Filmindustrie Hollywoods, sondern grausame Wirklichkeit waren. Fotos, Filme, Exponate und viele Infotexte beschreiben den langen, gewaltsamen und am Ende erfolgreichen Weg aus dem Apartheidsregime. Bei der abschließen Besprechung tauchte eine Frage immer wieder auf: wie war es möglich, ein solches Unrechtsregime einer Minderheit einer Mehrheit gegenüber über Jahrzehnte aufrecht zu erhalten? Und was ist das heutige Erbe dieser Zeit? Ist die Vision Nelson Mandelas. eine Rainbownation zu schaffen Wirklichkeit geworden?




Apartheidmuseum Joburg - Building a Rainbownation

Dieser Eindruck konnte bei unserem anschließenden Besuch des Marktes "Arts on Main" inmitten der CBD Johannesburgs zunächst entstehen: junge und ältere Menschen aller Hautfarben und Nationen tummeln sich hier allsonntäglich friedlich in einer großen Markthalle, in der unzählige Essenstände mit Gerichten aus aller Welt angeboten werden. Ein beglückendes Erlebnis inmitten der von Verfall, Armut und Kriminalität geprägten Downtown von Johannesburg.

Downtown Joburg

Hipper Laden im Arts on Main
 Doch dies sollte ein trügerischer Eindruck sein, wie wir in den folgenden zwei Wochen erkennen konnten. Dass das Erbe der Apartheid bis heute in Südafrika nachwirkt konnten wir bei vielen Anlässen spüren:
  • bei unseren Schulbesuchen, bei denen uns vermittelt wurde, dass kein schwarzer Lehrer je in einer Schule für mehrheitlich weiße Schüler unterrichten würde und umgekehrt;
  • in den Hostels und Hotels, den Restaurants und Bars, in denen die Bedienung ausschließlich schwarz war;
  • in den informellen Siedlungen in Joburg und eMalahleni, die nur von Schwarzen bewohnt werden;
  • in unseren Gesprächen mit den schwarzen (und auch weißen) Aktivisten, die gegen Menschenrechtsverletzungen und für bessere Bildungschancen kämpfen;
  • und nicht zuletzt durch die Gespräche und Erlebnisse mit verschiedenen Menschen, allen voran Roy und Len, unseren zwei burischen Busfahrern.

Während Roy, unser erster Busfahrer, die Vorurteile gegenüber Schwarzen noch recht verhalten äußerte ("die Schwarzen können schon eine ganze Menge, zum Beispiel tanzen, singen ......"), hielt sich Len, 45 Jahre alt, aufgewachsen in Pretoria in einer burischen Familie, mit seinen rassistischen Äußerungen nicht zurück. Während der 10 Tage, die wir mit ihm unterwegs waren, wurde uns bewusst, wie tief verwurzelt die Apartheid in der südafrikanischen Gesellschaft ist.
Ein Ereignis mit Len mag stellvertretend dafür stehen:
Während eines Dinnerbüffets im Hluhluwe Natonalpark meinte Len plötzlich, sich als unser Tour-Guide ausgeben zu müssen. Er baute sich vor den Augen der anwesenden Touristen vor den ausnahmslos schwarzen Serviererinnen und Köchen auf und beschimpfte sie auf übelste Weise: das Fleisch sei verbrannt, die Schüsseln mit diversen Speisen nicht ausreichend aufgefüllt. Als mehrere Studentinnen sich dagegen verwehrten und die Bedienung und das Küchenpersonal in Schutz nahmen, wurde er nur wütender und meinte, so seien "die" eben. Wenn nur wenig aufgefüllt sei, würden die Touristen weniger essen und den Rest würden "die" sich dann untereinander aufteilen. Er griff dabei das Personal dermaßen respektlos an, dass wir uns in Grund und Boden schämten und kaum wussten, wie wir in den kommenden Tagen damit umgehen sollten. Der Manager der Anlage, selbst ein Schwarzer, beruhigte schließlich den Konflikt.

Die geschilderte Situation war nur die extremste einer Reiher von Vorfällen, die uns zeigten, wie tief verwurzelt die Furcht vor dem Fremden, Unbekannten ist und wie groß die Vorurteile der weißen Bevölkerung gegenüber der schwarzen noch immer sind. Dass Len sich in eMalahleni von Mathews Hlabane die Route zeigen lassen musste und in Msinga sogar von einer schwarzen Frau, Gugu, hat die Fahrt für ihn sicher zu einer seiner schwersten werden lassen. Uns ist dadurch klar geworden, wie lang der Weg zu einer Rainbownation noch ist. Mehr noch: angesichts der frustrierend großen Disparitäten in der Geselschaft, die bei weitem nicht nur den Gegensatz weiß gegen schwarz umfassen, scheint er länger als je zuvor.

Liebe Grüße, Dorothee





Montag, 26. September 2016

26.09. 2016 "...fühlt sich jetzt schon wie ein Traum an."

Das offizielle Ende unserer Exkursion am Samstag, den 24. September liegt jetzt schon wieder zwei Tage zurück. Manche von uns sind bereits in Köln, Aachen oder Düsseldorf angekommen, andere wandern noch in den Drakensbergen oder genießen die Atmosphäre Kapstadts. In allen von uns aber wirken die intensiven Eindrücke und Erlebnisse der vergangenen zwei Wochen nach, wie Lene schreibt: "Die letzten zwei Wochen fühlen sich jetzt schon wie ein Traum an....".
Schon bei unserer Abschlussbesprechung am Freitag ist uns allen bewusst geworden, dass es sehr schwierig sein wird, das Erlebte anderen Mitmenschen zu vermitteln - das verbindet uns als Gruppe natürlich umso mehr, denn wir teilen diese Zeit nur miteinander. Auch haben wir festgestellt, dass es unheimlich schwer war, während der Exkursion den Blog fleißig zu füllen. Zum einen hatten wir häufig sehr langsames oder gar kein Netz; zum anderen waren die Tage so angefüllt mit Erlebnissen, dass wir abends häufig gar nicht mehr in der Lage waren zu schreiben. Das Erlebte musste sich erst einmal setzen und wollte verarbeitet werden.
Umso mehr aber drängen sich jetzt die Bilder und Eindrücke der vergangenen Zeit bei allen auf, verfolgen uns bis in die Träume und machen sich im Lauf des Tages immer wieder bemerkbar. Daher haben wir beschlossen, den Blog weiter zu führen und unsere Gedanken, Erinnerungen und auch Fragen entweder als Blogeintrag oder aber als Kommentar zu formulieren. Die gemeinsam erlebte Zeit ist einfach zu intensiv, als dass sie in die 14*24 h gezählte Zeit hineinpassen würde, wir müssen sie einfach ausdehnen. In diesem Sinne: schreibt drauf los!

Unsere Gruppe bei GuGu und Rauri in der Msinga Region


Lieben Gruß, Dorothee

Freitag, 23. September 2016

Nachtrag zum 15.09. 2016 Vormittags: David gegen Golliath


Wie die Überschrift vermuten lässt, war dies ein Tag der Gegensätze. Es stand ein Besuch bei Anglo American - einem der welweit größten Minenunternehmen - und einer durch MISEREOR unterstützten Aktivistengruppe auf dem Programm. Zunächst möchten wir euch unsere ersten Eindrücke aus der Kohleabbauregion rund um Witbank, dem heutigen eMalahleni, unserem nächsten Stopp, schildern.
Nach anstrengenden und ereignisreichen Tagen in Johannesburg waren wir froh die Stadt zu verlassen. Auf dem Weg begneteten uns zunehmend mehr Kohletransporter. Am Horizont wechselten sich dichte Rauchschwaden der vielen Kohlekraftwerke mit riesigen Abraumhalden des Steinkohletagebaus ab. Das eigentlich so fruchtbare Land wirkte trist und unbewohnbar. Trotzdem sahen wir auch hier kleinere Städte und informelle Siedlungen, bestehend aus den aus Johannesburg bekannten Shacks.
An unserem ersten Tag besuchten wir eine von Anglo American betriebene Wasseraufbereitungsanlage. Ein Hauptproblem des Kohleabbaus stellen saure Grubenabwässer (pH-Wert<2 ) dar, die im Umfang von mehreren Millionen Litern/ Tag aus den Mienen gepumpt werden. Beeindruckt hat uns, dass die Anlage bis zu 99,5 Prozent des Wassers reinigen kann.
Neben der Besichtigung war es unser Ziel Anglo American zu ihren Praktiken im Kohleabbau zu befragen.
Im Vorfeld der Exkursion haben wir uns hierfür intensiv mit der von MISEREOR durchgeführten Studie "Wenn nur die Kohle zählt" (Link) auseinandergesetzt, die wir nur empfehlen können. Im Verlauf des Gesprächs wurde deutlich, dass sich Anglo American als sauberen und nachhaltigen Minenkonzern präsentierte. Sie versichterten ökologische und soziale Standards einzuhalten und mit Bevölkerung und Regierung zusammenzuarbeiten. Sobald wir Anglo American mit Erkenntnissen der Kohlestudie konfrontierten und so den Finger in die Wunde legten, änderte sich die entspannte Gesprächsatmosphäre schlagartig. Schuldig für die sozioökonomischen und ökologischen Folgen des Kohleabbaus waren stets die Altlasten des historischen Abbaus (seit Ende des 19. Jh.), die Handlungsunfähigkeit der Regierung und kleinere Unternehmen, die sich nicht an die "Spielregeln" halten würden.
Wasseraufbereitungsanlage Anglo American (Gottsacker - MISEREOR)


Zwiegespalten durch die gegensätzlichen Schilderungen durch Anglo American und die Kohlestudie machten wir uns auf zu einem Treffen mit South African Green Revolutionary Council (SAGRC) unter Leitung von Mathews Hlabane, einem charismatischen Mann aus der Region. Mathews hielte eine authentische und emotional höchst geladene Rede. Seit 1986 steht er für die lokale Bevölkerung ein und kämpft gegen die Minenriesen und die Regierung. In seiner Rede beschrieb Mathews das durch den Kohleabbau verursachte Leid der Menschen, die Skrupellosigkeit der Minenunternehmen sowie die Unfähigkeit und/oder das mangelnde Interesse der Regierung für die Menschen einzustehen. Er schilderte uns, wie die Menschen vor Ort zwangsläufig verseuchtes Trinkwasser benutzen müssen. Sauberes Trinkwasser müssten sie kaufen und dafür hätten viele nicht das Geld. Tag und Nacht seien die Menschen dem Kohlestaub ausgesetzt. Er beschrieb, wie sich die ökologische Belastung dramatisch auf die Gesundheit der Menschen auswirkt. Mathews berichtete in diesem Zusammenhang auch von Einzelschicksalen, die uns sehr betroffen machten.
Mathews Hlabane (Foto: Gottsacker - MISEREOR)

Am  Ende des Tages standen zwei Schilderungen und Ansichten über den Abbau von Kohle in eMalahleni, die verschiedener nicht hätten sein können. Ein besonders prägnantes Beispiel soll an dieser Stelle vorgestellt werden. Anglo American versicherte uns, dass sie das gesäuberte Wasser in das lokale Trinkwassersystem einspeisen würden. Mathews schilderte den gleichen Sachverhalt anders. So verkauft Anglo American in der Realität das gereinigte Wasser (was ohne sie übrigens nie verseucht geworden wäre) an die lokale Regierung, um dieses einzuspeisen.  Auch wenn nach dem Treffen mit den Aktivisten zunächst Wut, Verärgerung und Irritation über die Kohleunternehmen herrschte, beschlossen wir, als Gruppe, die nächsten Tage abzuwarten, um uns ein eigenes Bild machen zu können. Wir freuen uns, wenn ihr uns weiter dabei begleitet. Es lohnt sich!
Joke of the day: "What is a mine? A hole in the ground owned by a liar!" - told by Mathews Hlabane

22.09. 2016 Landwirtschaft in der Region Msinga




Das Mdukatshani Rural Development Project (MRDP) wurde 1965 initiiert und besteht aus mehreren Teilprojekten, u.a. dem Handscraft Project, dem Goat Agribusiness Project,  und dem Communnity Animal Health Workers Project. Es ist vor allem für Jugendliche und Frauen bestimmt.
Zuerst schauten wir uns das Handscraft Project an, bei dem Schmuck und Dekoartikel von den lokalen Frauen eigens angefertigt werden.
Hiernach erzählte uns Rauri einiges zu dem Projekt allgemein. Das Ziel ist es, eine Art kleines Pilotprojekt zu sein, um die Regierung auf effektive Entwicklungsmöglichkeiten aufmerksam zu machen.
Südafrikanische Pick Up - Fahrt

Danach fuhren wir mit Pick Ups zu einer Ziegenfarm, die von Frauen gehalten wird. Ziegen haben in den ländlichen Regionen eine sehr große Bedeutung, so werden sie für unterschiedliche Zeremonien, wie zu Geburten, Hochzeiten o.ä. geopfert. Dies ist die einzige Nutzung der Ziegen, das Fleisch und die Milch der Ziegen werden bisher fast gar nicht genutzt. Besonders für Frauen spielen die Ziegen eine große Rolle, sonstige Viehwirtschaft wird nämlich nur von Männern betrieben und ist zudem sehr teuer. Daher legt das Projekt gerade bei der Ziegenwirtschaft, betrieben durch die Frauen, ihren Schwerpunkt (Goat Agribusiness Project). Ein ausführliches Handbuch wurde den Frauen an die Hand gegeben mit wichtigen Hinweisen zur medizinischen Versorgung und grundlegenden Behandlung.
Community Animal Health Workers bei der Untersuchung von Ziegen

Auf der Farm konnten wir zudem die Arbeit von den Community Animal Health Workers beobachten. Diese sind junge, aus der Community stammende und ausgebildete Arbeiter, die sich um die Gesundheit des Viehs kümmern, da Krankheiten und Mangelernährung oftmals zu Viehsterben führen, nicht zuletzt durch die Dürre. Die Health Workers führen Präventionsprogramme durch und kümmern sich um kranke Ziegen. So konnten wir die Impfung zahlreicher junger Ziegen beobachten.
Auf einer weiteren Farm wurde uns die Herstellung von Mineralblöcken gezeigt. Diese dienen zur Ernährung des Viehs und können nur in den weit entfernten großen Städten erworben werden. Daher wurde die selbstständige Herstellung dieser Mineralblöcke, bestehend u.a. aus Salz, Molasse und Maismehl, durch das Projekt durch Übertragung des Rezeptes initiiert. 
Selbst hergestellter Mineralblock
Außerdem waren die Bewohner stolz darauf, uns ihren Hexler zu zeigen, der das Gras für die Jungziegen zerkleinert. Diese Maßnahmen ermöglichen der Community eine eigenständige Entwicklung (Hilfe zur Selbsthilfe).  
Dank Rauri und seinen Mitarbeitern des Projektes MRDP haben wir hautnah die Dürreproblematik sowie Landwirtschaft in Zeiten der Dürre und deren Folgen miterleben können. 
    

Nachtrag zum 15. und 16.09. 2016: Wenn nur die Kohle zählt...


Nach dem gestrigen Tag waren wir äußerst gespannt, nun mit eigenen Augen die von der Kohleindustrie betroffenen Regionen zu sehen.
Matthews fuhr mit uns zunächst in ein informal settlement, das direkt an einer kleineren noch aktiven Mine liegt. Schon beim Aussteigen aus dem Bus waren wir geschockt: Die Mine und die Siedlung werden lediglich durch eine staubige Straße getrennt, auf der Kohlelastwagen im 5min-Abstand durchfahren. Nicht einmal ein einfacher Zaun begrenzt den Bereich der Mine. Bei den ersten Atemzügen wird uns bewusst, wie stark die Luft durch den Kohlestaub verunreinigt ist - das Atmen fällt schwer. Die Atmosphäre zwischen den einfachen Hütten aus Wellblech und Steinen ist bedrückend. Rasta, ein relativ junger Mann, schaut uns aus trüben Augen an. Er ist wie die allermeisten hier arbeitslos. Die Chancen, einen Job zu bekommen, sind im ganzen Ort sehr gering. Um eingestellt zu werden, muss man einen medizinischen Test betehen, da Arbeitgeber finanzielle Verluste durch die Krankheiten ihrer Mitarbeiter verhindern wollen. Diesen Test besteht aber keiner der Anwohner hier. Zu verschmutzt ist die Luft, Lungenprobleme und Krankheiten wie Tuberkulose und Asthma sind weit verbreitet. Einige, wie auch Rasta, haben Nierenprobleme aufgrund des stark verschmutzen Wassers. Kein sauberes Wasser zu haben, ist eines der größten Probleme vor Ort. Durch den Abbau der Kohle wird Pyrit-haltiges Gestein freigelegt, wodurch der pH-Wert des vorbeiströmenden Wassers stark sinkt und somit toxische Schwermetalle ausgewaschen werden. Wie wir vor Ort sehen, kümmern sich die Minenbetreiber dieser Mine nicht darum, das durch saure Grubenwässer verunreinigte Wasser aufzubreiten. In einigen ausgetrockneten Becken sieht man die weißen Ablagerungen der Sulfate. Kinder toben hier umher. Sie verbringen die meiste Zeit auf den Hügeln aus Kohleresten, einen anderen Platz zum Spielen haben sie nicht. Matthews fragt eine Frau, ob sie uns ihre Hütte zeigen könnte. 'Nein', sagt sie, sie habe keine Zeit, sie müsse noch im stillgelegten Teil der Mine nach Kohleresten suchen, um heute Abend zu kochen. Die Menschen hier haben keinen Stromanschluss. Sie benutzen die mühsam gesammelten Kohlestückchen, um ein Feuer zu machen. Der beißende Rauch dieser Feuer schwebt durch die Siedlung. Und die Perspektivlosigkeit, die aus den Augen der Menschen blickt, ist schwer zu ertragen.


Die zweite Siedlung, die Mattews uns zeigt, wirkt genauso trostlos. Hier wurde einst unterirdisch Kohle abgebaut und die Mine schon längst vom Betreiber verlassen. Auch wenn gesetzlich vorgeschrieben, wurde der Minenbereich nicht rekultiviert. Die leeren Schächte stürzten ein, unterirdisch lodern immer noch Feuer und einige Anwohnerversuchen illegal in den restlichen einsturzgefährdeten Schächten die letzten Reste verwertbarer Kohle abzubauen. Überall sieht man tiefe Löcher im Untergrund. Erst in diesem Monat sei ein Schacht eingestürzt und hat einen Anwohner verschüttet, erzählt uns ein Mitarbeiter Matthews Organisation. Wir treffen drei vom Kohlestaub verdreckte Jungs im Alter von circa 10 Jahren. Einer erzählt uns, wie er beim Spielen in ein "sinkhole" gefallen ist und sich an den Beinen Brandwunden zuzuog. Solche Fälle sind sehr häufig - und dennoch ist bei einem solchen Vorfall kein Krankenwagen, keine Krankenschwester oder auch nur Verbandsmaterial vorhanden! An diesen kleinen Stellen setzt SAGRC an: Erste-Hilfe-Kästen werden angeschafft und aus jeder community einige Bewohner kostenlos geschult, Erste Hilfe zu leisten. Auch wenn uns ein solcher ´Fortschritt´ im Anblick dieser großen Katastrophe wie ein Tropfen auf den heißen Stein erscheint, sind das die wichtigen Mittel, wie das Leben der Bevölkerung vor Ort auf direktem und schnellen Wege verbessert werden kann.


Am nächsten Morgen besuchen wir mit Matthews eine weitere stillgelegte aber nicht rehabilitierte unterirdische Kohlemine. Seit den 1930er Jahren lodern hier unter der Erde Flözbrände - unvorstellbar! Wir spüren die Hitze, die vom Boden an unseren Beinen heraufkriecht und sehen in einem eingestürzten Schacht den Fels sogar rot-orange glühen. Hier direkt wohnen zwar keine Menschen, doch führen über das Feld Trampelpfade, die viele Leute als Abkürzung und Kinder als Spielplatz nutzen. Immer wieder wird jemand vermisst und man geht davon aus, dass sie in eines der vielen Löcher gestürtzt sind. Manche Bauern lassen ihr Vieh aus Mangel an Alternativen hier grasen. Fatal, denn die hier wachsenden Pflanzen sind längst durch Schwermetalle verseucht, welche sich dann im Fleisch des Viehs anreichern und im Endeffekt den Menschen, die das verseuchte Fleisch essen, schaden. Dieses hochgefährliche Gebiet muss abgezäunt werden, fordert SAGRC von der Regierung, doch seit Jahren tut sich nichts. Unsere anfängliche Betroffenheit schlägt mehr und mehr in Wut um!
An weiteren Stellen sehen wir mit eigenen Augen die wahnsinnigen Umweltschäden durch den Kohleabbau. Im Umland der Minen tritt stark saures und mit Schwermetallen belastetes Wasser aus und fließt direkt und unbehandelt in die Flüsse. An ausgetrockneten Flussbetten und Teichen stechen einem die weißen Ablagerungen der Sulfate ins Auge, fast wie eine unwirkliche Schneelandschaft. Es stinkt irgendwie nach Chemielabor.


Wir gehen weiter und sehen in der Ferne plötzlich fünf nackte Kinder wegrennen. ´Die kennen uns schon´, erzählt Matthews, ´Wir haben ihnen schon oft gesagt, dass sie hier nicht baden dürfen, aber es sind eben Kinder.´ Als wir sehen, wo diese Kinder gerade aus dem Wasser gestiegen sind, wollen wir es nicht glauben. Eine dreckige Brühe, mit extrem niedrigen pH-Wert und stark mit Schwermetallen belastet. Leere Plastikflaschen und mit Luft gefüllte Tüten dienen den Kindern als Schwimmflügel. Dass ein regelmäßiges Baden in diesen Teichen schwere gesundheitliche Folgen hat, ist mehr als offensichtlich.
Auf der Heimfahrt fahren wir an dem noch im Bau befindlichen Kohlekraftwerk Kusile vorbei: Wenn es ans Netz geht, wird es eines der größten Kohlekraftwerke der Welt sein.  Um dieses Kraftwerk zu speißen, wird in einer neuen Mine von gigantischem Ausmaße Kohle abgebaut.


In diesem Moment wird uns bewusst: Die Zerstörung der Umwelt geht weiter, ebenso die Nichtbeachtung der Menschenrechte in dieser Region! Irgendwie stehen wir ratlos und hilflos da - die Problematik vor Ort ist zu vielschichtig und komplex!
Abends haben wir bei einem kulturellen Abend mit Matthews Mitarbeitern und Nachbarn die Gelegenheit, noch etwas Schönes von unserem Besuch in eMalaheni mitzunehmen. Ein lustiger Abend mit bewunderns- und unterstützungswerten Menschen - und doch bleiben uns vor allem die aussichtslosen Blicke der Anwohner der verlassenen Minen, die Hitze der unterirdischen Brände und auch ein wages Schuldgefühl in Erinnerung: So ist es ja schließlich auch Deutschland, das tonnenweise Kohle aus Südafrika importiert!



Donnerstag, 22. September 2016

21.09. 2016 Eine Nacht im Rondavel


Pünktlich um 8 Uhr sind wir im Hluhuluwe Park Richtung Msinga aufgebrochen. Die eigentliche Ankunftszeit von 12 Uhr haben wir allerdings knapp um 6 Stunden verfehlt, da die Route für unseren Bus sehr schwierig zu bewältigen war.
Hinweis an einer Tankstellentoilette
Unterwegs mussten wir bei einigen Stopps feststellen, dass aufgrund der Dürre die Wasserversorgung eingestellt wurde und somit auch keine Toilettengänge möglich waren. Kontrovers zu dieser Wassersparpolitik war jedoch, dass die Frontscheibe unseres Busses an jeder Tankstelle ohne Aufforderung penibel gereinigt wurde. Allgemein ist die Wasserversorgung in dieser Region gesetzlich geregelt; einmal pro Woche soll ein Tanklaster gefüllt mit Trinkwasser kommen. Diese Problematik kannten wir bereits aus dem Nationalpark, in dem wir jedoch aufgrund von regelmäßigen Wasserlieferungen stets duschen konnten.
Außerdem ist uns während der Fahrt erneut deutlich geworden, wie vielfältig die Landschaften in Südafrika sind: alleine auf dieser Fahrt - von Savanne im Nationalpark, über Wald geprägt durch Forstwirtschaft, über Buschlandschaft bis hin zur Trockensavanne mit Subsistenzwirtschaft. Im Zusammenhang mit dieser Trockenheit konnten wir auch einige großflächige Grasbrände beobachten.

Grasbrände
Die Dürreperiode zeigte sich auch durch viele ausgetrocknete Flussbetten, rissige Böden und abgemagertes Vieh. Als wir endlich am Zielort ankommen und Rauri Alcock uns mit einem gekühlten Bier und Softdrinks empfing, waren die Strapazen der langwierigen Busfahrt vergessen.   
Vor Ort trafen wir gegen Abend auf die Gastfamilien in Msinga. Hier unterstützt Misereor ein Projekt, das die Situation der Kleinbauern verbessern soll. Geleitet wird dies von Rauri Alcock, der als Weißer selbst in einer Zulu-Community groß geworden ist.  
Nach einer 8-stündigen Busfahrt, mussten wir den letzten Teil der Strecke wegen der für einen Bus ungünstigen Straßenverhältnisse mit einem Pick-up gebracht werden. Wir trafen in einem kleinen Familiendorf mit ca. 7 Rundhütten ein und wurden aufgrund der Sprachbarrieren von den Bewohnern eher verhalten empfangen. Rauri diente jedoch als Übersetzer und Vermittler und so konnten wir einen kulturellen Abend mit afrikanischem Braai verbringen. 
Dabei erfuhren wir einiges über die Traditionen der Community: beispielsweise schlafen Männer und Frauen in verschiedenen Hütten, speisen auf verschiedenen Seiten innerhalb einer Hütte, dabei sitzen die Männer auf Fellen, die Frauen jedoch auf Matten. Ein Mann hat oftmals zwei oder mehr Frauen, die eine Art Scherpe tragen, die ihre Zugehörigkeit zu ihrem Mann zeigt. Generell wurde deutlich, dass die Frauen hier eine deutlich niedrigere Stellung als die Männer haben. Oftmals sind die Ehemänner nur wenige Tage im Jahr im Dorf, da sie in Johannesburg oder anderen Großstädten arbeiten.

Rundhütten in Msinga
Im Anschluss wurden wir in 2er-Gruppen in verschiedene Gastfamilien aufgeteilt, wo wir die Nacht meist in Rundhütten verbrachten. Empfangen wurden wir von unseren Gastfamilien, hier ein Erlebnis von zwei Studentinnen, das zeigt, wie sich die Kulturen kreuzten: „Wir wurden von zwei Frauen empfangen, einmal dem Familienoberhaupt, der Großmutter und ihrer Schwiegertochter. Sie waren freudig erregt und vermittelten dank eines Übersetzers ihre Freude, dass wir da sind. Die Frauen führten uns in eine Rundhütte und redeten aufgeregt auf Zulu mit uns. Sie führte uns über ihr „Anwesen“ und zeigte uns alles Wichtige. Danach führte sie uns zurück in die Hütte und die Schwiegertochter brachte zwei Plastikwannen und einen großen Eimer heißes Wasser. Sie signalisierten uns, dass wir uns das Gesicht waschen sollten, was wir daraufhin taten. Allerdings wollten sie nicht, dass wir nur unser Gesicht waschen, sondern wir sollten uns entkleiden und komplett waschen. Wir waren sehr perplex, aber begannen uns auszuziehen und zu waschen. Erst als wir im Bett lagen, verließ die Hausherrin die Hütte und ließ uns allein. Dieser Abend war ganz anders als erwartet und ein echtes kulturelles Erlebnis.“

Samstag, 17. September 2016

16.09. 2016 Wenn arme Kinder dir ein Lächeln schenken



Heute morgen ging es um 9 Uhr zu einem Kindergarten, in welchem eine Vorschule integriert ist. Diese Einrichtung liegt am Rand von Witbank in einer informellen Siedlung und wird von der Gesamtschule Essen Süd gesponsert. Im Vergleich zu anderen Schulen, die wir gesehen haben, fehlt es den Kindern an nichts. Spielzeuge und Videos sind ebenso vorhanden wie Bücher und andere Schulmaterialien.
Die Lehrer legen viel Wert auf den Englisch-Unterricht und auf die Weitergabe von Wissen, um die Kinder auf ein selbstständiges, besseres Leben vorzubereiten. Sie sagen, dass sie nur mit eigenem Wissen aus dem Kreislauf der informellen Siedlungen entkommen können.
Wir wurden freundendstrahlend und jubelnd empfangen und fanden uns schnell in den Armen der Kinder wieder, die sich sichtlich über unseren Besuch gefreut haben. Nach einem Rundgang durch die Schule/bzw. den Kindergarten haben wir mit den Kindern Lieder gesungen, getanzt und Fangen gespielt. Beim Singen hat sich vor allem Nico als Entertainer hervorgetan, alle Texte vorgesungen und die Bewegungen dazu vorgemacht.
Die Jungs erfreuten sich als Turngeräte großer Beliebtheit und besonders die blonden Mädels unter uns wurden von den kleinen Mädchen bestaunt.
Gerne hätten wir noch Stunden dort verbracht und gesehen wie die Kinder, trotz großer Armut, lachen können und uns Fremden offen entgegen treten. Nur ungerne trennten wir uns von den Kids, die ausgesprochen süß und liebenswert sind.

Doch ein weiterer Termin stand an. Wir besuchten, in zwei Gruppen aufgeteilt, zwei High Schools. Diese werden beide durch die Regierung gefördert. Da die Lehrer seit zwei Wochen kein Geld von der Regierung erhalten, waren alle Lehrer der beiden Schulen bei einem Treffen der Gewerkschaft. Daher waren die Schüler lediglich zum Spielen in der Schule und wir konnten nicht wie geplant am Unterricht teilnehmen und selbst dort unterrichten.
Daher wurden in der Greendale High School alle Schüler der Touristik-Klassen in die Aula gerufen wo sie in Gruppen im Raum verteilt wurden. Wir Studenten haben uns anschließend auf die Gruppen aufgeteilt und den Schülern über Deutschland berichtet und Fragen beantwortet. Die Schüler haben im Gegenzug über Südafrika erzählt und für uns gesungen und getanzt. Auch hier wurden wir mit offenen Armen empfangen und durften am Ende einige Selfies mit den Schülern machen.
Auch in der zweiten High School, TP Sililo, organisierten wir den „Unterricht“ spontan. Während einer Skype-Konferenz mit dem Erdkunde-Leistungskurs des Apostelgymnasiums in Köln konnten sich die afrikanischen und die deutschen Schüler einen Eindruck von den jeweiligen Unterrichtssituationen machen und sich gegenseitig Fragen stellen und beantworten. Auch hier wurde sich über Deutschland und Südafrika ausgetauscht.

Im Anschluss an diesen Termin hatten wir Lunch in einem Schnellrestaurant.