Dienstag, 27. September 2016

27.09. 2016 "..no matter if you're black or white"?

Heute morgen beim Joggen am Strand von Camps Bay zeigte sich über dem Atlantik ein Regenbogen - und damit war das Motto des heutigen Tages gesetzt: ist die Rainbownation Illusion oder Wirklichkeit? Die Überwindung der Apartheid war nicht erst in den letzten zwei Wochen, sondern schon während der Vorbereitungszeit ein Leitmotiv unserer Exkursion. Drei Filme unserer  Kinoabende handelten vom Kampf gegen die Apartheid: Der Film "Drum - Wahrheit um jeden Preis" spielt in den 1950er Jahren, zu Beginn der Apartheid und thematisiert den Kampf um Sophiatown in Johannesburg; der zweite Film, "Schrei nach Freiheit" ist ein US-amerikanischer Film, der auf einem Sachbuch des Journalisten Donald Woods basiert, und die Geschichte von Steve Biko, dem Gründer des Black Consciousness Movement behandelt. Der dritte Film war "Invictus" nach dem Sachbuch „Der Sieg des Nelson Mandela: Wie aus Feinden Freunde wurden“ von John Carlin. Hier geht es um die Anfänge Nelson Mandelas als Präsident und seine Vision einer Rainbownation.  
Schon während unserer Vorbereitung auf die Reise also war uns sehr bewusst, dass das Thema Apartheid uns beschäftigen würde. Und es trieb uns, wie auch die Schüler vom Apostelgymnasium, die Frage um, welchen Spuren dieser Zeit man 22 Jahre nach den ersten freien Wahlen noch begegnen würde.
Der erste Tag der Exkursion begann daher nicht zufällig mit einem Besuch des Apartheidmuseums in Joburg. Eindrücklich wurde uns dort vor Augen geführt, dass die Bilder, die wir bereits in den Kinofilmen gesehen hatten, keine Inszenierungen der Filmindustrie Hollywoods, sondern grausame Wirklichkeit waren. Fotos, Filme, Exponate und viele Infotexte beschreiben den langen, gewaltsamen und am Ende erfolgreichen Weg aus dem Apartheidsregime. Bei der abschließen Besprechung tauchte eine Frage immer wieder auf: wie war es möglich, ein solches Unrechtsregime einer Minderheit einer Mehrheit gegenüber über Jahrzehnte aufrecht zu erhalten? Und was ist das heutige Erbe dieser Zeit? Ist die Vision Nelson Mandelas. eine Rainbownation zu schaffen Wirklichkeit geworden?




Apartheidmuseum Joburg - Building a Rainbownation

Dieser Eindruck konnte bei unserem anschließenden Besuch des Marktes "Arts on Main" inmitten der CBD Johannesburgs zunächst entstehen: junge und ältere Menschen aller Hautfarben und Nationen tummeln sich hier allsonntäglich friedlich in einer großen Markthalle, in der unzählige Essenstände mit Gerichten aus aller Welt angeboten werden. Ein beglückendes Erlebnis inmitten der von Verfall, Armut und Kriminalität geprägten Downtown von Johannesburg.

Downtown Joburg

Hipper Laden im Arts on Main
 Doch dies sollte ein trügerischer Eindruck sein, wie wir in den folgenden zwei Wochen erkennen konnten. Dass das Erbe der Apartheid bis heute in Südafrika nachwirkt konnten wir bei vielen Anlässen spüren:
  • bei unseren Schulbesuchen, bei denen uns vermittelt wurde, dass kein schwarzer Lehrer je in einer Schule für mehrheitlich weiße Schüler unterrichten würde und umgekehrt;
  • in den Hostels und Hotels, den Restaurants und Bars, in denen die Bedienung ausschließlich schwarz war;
  • in den informellen Siedlungen in Joburg und eMalahleni, die nur von Schwarzen bewohnt werden;
  • in unseren Gesprächen mit den schwarzen (und auch weißen) Aktivisten, die gegen Menschenrechtsverletzungen und für bessere Bildungschancen kämpfen;
  • und nicht zuletzt durch die Gespräche und Erlebnisse mit verschiedenen Menschen, allen voran Roy und Len, unseren zwei burischen Busfahrern.

Während Roy, unser erster Busfahrer, die Vorurteile gegenüber Schwarzen noch recht verhalten äußerte ("die Schwarzen können schon eine ganze Menge, zum Beispiel tanzen, singen ......"), hielt sich Len, 45 Jahre alt, aufgewachsen in Pretoria in einer burischen Familie, mit seinen rassistischen Äußerungen nicht zurück. Während der 10 Tage, die wir mit ihm unterwegs waren, wurde uns bewusst, wie tief verwurzelt die Apartheid in der südafrikanischen Gesellschaft ist.
Ein Ereignis mit Len mag stellvertretend dafür stehen:
Während eines Dinnerbüffets im Hluhluwe Natonalpark meinte Len plötzlich, sich als unser Tour-Guide ausgeben zu müssen. Er baute sich vor den Augen der anwesenden Touristen vor den ausnahmslos schwarzen Serviererinnen und Köchen auf und beschimpfte sie auf übelste Weise: das Fleisch sei verbrannt, die Schüsseln mit diversen Speisen nicht ausreichend aufgefüllt. Als mehrere Studentinnen sich dagegen verwehrten und die Bedienung und das Küchenpersonal in Schutz nahmen, wurde er nur wütender und meinte, so seien "die" eben. Wenn nur wenig aufgefüllt sei, würden die Touristen weniger essen und den Rest würden "die" sich dann untereinander aufteilen. Er griff dabei das Personal dermaßen respektlos an, dass wir uns in Grund und Boden schämten und kaum wussten, wie wir in den kommenden Tagen damit umgehen sollten. Der Manager der Anlage, selbst ein Schwarzer, beruhigte schließlich den Konflikt.

Die geschilderte Situation war nur die extremste einer Reiher von Vorfällen, die uns zeigten, wie tief verwurzelt die Furcht vor dem Fremden, Unbekannten ist und wie groß die Vorurteile der weißen Bevölkerung gegenüber der schwarzen noch immer sind. Dass Len sich in eMalahleni von Mathews Hlabane die Route zeigen lassen musste und in Msinga sogar von einer schwarzen Frau, Gugu, hat die Fahrt für ihn sicher zu einer seiner schwersten werden lassen. Uns ist dadurch klar geworden, wie lang der Weg zu einer Rainbownation noch ist. Mehr noch: angesichts der frustrierend großen Disparitäten in der Geselschaft, die bei weitem nicht nur den Gegensatz weiß gegen schwarz umfassen, scheint er länger als je zuvor.

Liebe Grüße, Dorothee





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